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Buchführung in der Cloud

Aus steuerrechtlicher Sicht ist Einiges zu beachten

Unternehmen, die ihre Buchführung in die Cloud auslagern, müssen sich (auch) zahlreiche steuerrechtliche Fragen stellen. Im Folgenden beleuchten wir die wichtigsten Themenstellungen und weisen auf mögliche Fallstricke hin.

Hintergrund

Immer mehr Unternehmen stellen auf Cloud-basierte Lösungen um. Nicht ohne Grund: Cloud-Dienste bringen gegenüber dem Anwendungsbetrieb im eigenen Rechenzentrum zahlreiche Vorteile mit sich, z. B. Einsparung von Kosten und Personalaufwand für

  • Implementierung, Upgrade und Wartung der Soft- und Hardware sowie
  • die Aufrechterhaltung geeigneter Sicherheitsarchitekturen.

Ein wichtiger Punkt darf dabei aber nicht vergessen werden: Bei der Nutzung einer Cloud-Lösung für Teilbereiche der Buchführung (oder der Buchführung insgesamt) kann es sich um eine Verlagerung der elektronischen Buchführung ins Ausland handeln. Dies kommt bei Systemen zum Tragen, in denen aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtige Daten i. S. d. Abgabenordnung (AO) gehalten, verarbeitet oder archiviert werden und die (ausschließlich) im Ausland betrieben werden. Eine solche Verlagerung darf nur mit der Genehmigung der zuständigen Finanzbehörde stattfinden.

Ausgewählte rechtliche Rahmenbedingungen bei Buchführung in der Cloud

Grundsätzlich sind nach § 146 Abs. 2 AO Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen im Geltungsbereich der AO, also im Inland, zu führen und aufzubewahren. Auf schriftlichen Antrag kann jedoch nach § 146 Abs. 2a AO die elektronische Buchführung ins Ausland verlagert werden. Der notwendige Antrag enthält üblicherweise eine detaillierte Beschreibung der für die Verlagerung vorgesehenen elektronischen Bücher und der sonst erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen, des einzusetzenden Datenverarbeitungssystems sowie eine Erläuterung des geplanten Verfahrens. 

Zu den weiteren Voraussetzungen für die Bewilligung gehören die Mitteilung der genauen Standorte der Datenverarbeitungssysteme im Ausland und – bei Beauftragung eines Dritten – dessen Name und Anschrift. Zudem muss die Erfüllung der allgemeinen Mitwirkungspflichten aus §§ 90, 93, 97 AO, der Buchführungspflichten aus §§ 140 - 147 AO sowie der Vorlage- und Auskunftspflichten während einer Außenprüfung gem. § 200 Abs. 1 und 2 AO, die uneingeschränkte digitalen Außenprüfung i.S.v. § 147 Abs. 6 AO sowie die Nichtbeeinträchtigung der Besteuerung gewährleistet sein. Darüber hinaus benötigen Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit Berührungspunkte mit dem Zollrecht aufweisen, für eine beabsichtigte Buchführungsverlagerung auch eine (separat zu beantragende) Genehmigung des zuständigen Zollamtes.

Gem. § 147 Abs. 2a S. 4 AO ist der Steuerpflichtige des Weiteren verpflichtet, Veränderungen hinsichtlich des Standorts der Datenverarbeitungssysteme der Finanzverwaltung unverzüglich mitzuteilen.

Potenzielle Problemfelder bei Buchführung in der Cloud

Standort

Schwierigkeiten bereitet oft die gesetzlich geforderte Bestimmung des Standorts der Datenverarbeitung. Der Grund: Anbieter von Cloud-Dienstleistungen operieren mitunter über eine Vielzahl von Server-Standorten in verschiedenen Ländern. Es entspricht gerade dem Wesen von Cloud-Lösungen, dass die Datenhaltung und -verarbeitung in einer verteilten Rechnerinfrastruktur stattfindet. So kann auf Auslastungsspitzen, Skalierungserfordernisse oder lokale Ausfallszenarien flexibel reagiert werden.

Damit Steuerpflichtige den Anforderungen der AO Genüge tun können, ist deshalb zu empfehlen, durch vertragliche Vereinbarungen mit dem Cloud-Anbieter die (zukünftigen) Serverstandorte sicherzustellen. Besteht die Möglichkeit der Nutzung betroffener Anwendungen über ein Rechenzentrum im Inland (sowie aus dem Inland heraus), so kann u.E. auf einen Buchführungsverlagerungsantrag verzichtet werden. Denn insbesondere der Datenzugriff ist in einem solchen Fall für die inländischen Finanzbehörden uneingeschränkt möglich. Kann die betroffene Anwendung in einem solchen Szenario aber nicht ausschließlich auf einer „deutschen Cloud“ betrieben werden, so könnten die Finanzbehörden aufgrund des Wortlautes von § 146 Abs. 2a AO dennoch einen Buchführungsverlagerungsantrag verlangen.

Ist der Betrieb einer Anwendung nur in ausländischen Rechenzentren möglich, sollte das steuerpflichtige Unternehmen mit dem Cloud-Anbieter zumindest entsprechende vertragliche Standortgarantien oder Informationspflichten bezüglich der Serverstandorte vereinbaren. Allerdings erweist sich dies in der Praxis als problematisch. Üblicherweise ist es nämlich Teil des globalen Sicherheitskonzeptes von Cloud-Anbietern, die genauen ausländischen Standorte der Rechenzentren nicht offen zu legen. Zudem stellt sich die Frage, ob es ausreicht, der Finanzverwaltung den Standort eines Rechenzentrums mitzuteilen, wenn im Falle einer (Amtshilfe-unterstützten) Außen-prüfung alle notwendigen Daten jederzeit und kurzfristig transferiert werden können.

Alternativ müssten alle Rechenzentren, über die die betroffene Anwendung betrieben wird, offengelegt werden. Letzteres führt in der Praxis nicht nur zu zusätzlichen Sicherheitsbedenken bei den Cloud-Anbietern, sondern macht es auch nahezu unmöglich, die gesetzliche Anforderung einer unverzüglichen Mitteilung bei Änderung des Standorts des Datenverarbeitungssystems (§ 146 Abs. 2a S. 4 AO) zu erfüllen.

 

Aufbewahrungsfristen und Datenzugriff

Zu den kritischen Angaben in einem Buchführungsverlagerungsantrag für eine Cloud-basierte Lösung zählen auch

  • die Einhaltung der Aufbewahrungsfristen nach § 147 Abs. 2 AO, sowie
  • die Möglichkeit des Datenzugriffs auf die elektronische Buchführung durch die Finanzverwaltung im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung oder einer Zoll- bzw. Außenwirtschaftsprüfung nach § 147 Abs. 6 S. 2 AO. 

Die Angaben zur Erfüllung der technischen Voraussetzungen der GoBD sowie zu den Maßnahmen zur Einhaltung der Aufbewahrungspflichten (auch bei einem – geplanten oder ungeplanten – Ende des Vertrags mit dem Cloud-Anbieter) sollten in dem Buchführungsverlagerungsantrag so detailliert wie möglich beschrieben werden. Für das Finanzamt sollte klar ersichtlich sein, dass...

  • auch bei einer Verlagerung der elektronischen Buchführung in eine Cloud-Lösung der Datenzugriff im Rahmen der Betriebsprüfung nach § 147 Abs. 6 AO weiterhin uneingeschränkt möglich und
  • keine Beschränkung der Besteuerung gemäß § 146 Abs. 2a S. 2 Nr. 4 AO zu befürchten ist. 

Mögliche Rechtsfolgen

Werden der Finanzbehörde zu einer bereits bewilligten Buchführungsverlagerung Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung nach Deutschland zu verlangen (§ 146 Abs. 2a S. 3 AO). Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung der Buchführung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach oder wurde die elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde ins Ausland verlagert, kann ein Verzögerungsgeld i.H.v. EUR 2.500 bis EUR 250.000 festgesetzt werden (§ 146 Abs. 2b AO).

Fazit

Die bislang gänzlich fehlende regulatorische Richtschnur hinsichtlich des Themas „Buchführungsverlagerung in die Cloud“ führt dazu, dass Anträge im Sinne des § 146 Abs. 2a AO bundesweit in äußerst unterschiedlicher Form behandelt und beschieden werden. 

Eine Modernisierung der Abgabenordnung in diesem Bereich obliegt dem Gesetzgeber; einstweilen bleibt eine Vereinheitlichung des Umgangs mit der Thematik durch das Bundesfinanzministerium in Form eines entsprechenden BMF-Schreibens zu fordern. Letztere sollte nicht nur die als unumkehrbar anzusehende technische Entwicklung berücksichtigen, sondern auch die Vorteile, die aus der Verfügbarkeit steuerrelevanter Daten an mehr als einem Standort für die Finanzverwaltung erwachsen.